The Zone of Interest – unanschaubar… zur Zeit
Dafür hab ich grad echt keine Zeit! So harte Kost in der Vorweihnachtszeit! Wo eh schon alles so stressig ist. Und bei dem ganzen Scheiß der weltweit gerade passiert, muss man sich doch nicht noch mit den Nazis im Holocaust auseinandersetzen! Ausreden gibt es viele, warum man „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer aus dem Jahr 2023 gerade nicht sehen möchte und vielleicht auch niemals sehen will. Weiß man nicht bereits Alles über diese dunkelste deutsche Geschichte?! Nach Filmen wie „Schindlers Liste“, wo das Unvorstellbare Bilder bekommen hatte, oder aus meiner Sicht heraus Meisterwerke wie „Das Leben ist schön“, „Der Pianist“, „Jakob, der Lügner“ oder „Zug des Lebens“ ist schon Alles vielfach darüber erzählt worden. Immer wieder mit dem Konsens: Wehret den Anfängen! Okay, ist leider zu spät. Wenigstens nur nicht jemals wieder ganz so krass!
Hier nun aber eine ganz andere Perspektive. Dieser Film baut darauf auf, was man bereits weiß. Man ist sich durchaus bewusst darüber, was hinter den Mauern des Lagers passiert, kann die Geräusche einordnen, ohne dass diese je thematisiert werden. Im Mittelpunkt ein Auszug des Lebens einer wohlsituierten deutschen Familie zu Zeiten des Nationalsozialismus. Und sicherlich wäre die Story langweilig und wenig bewusstseinserweiternd, wäre es nicht die Geschichte der Familie Höss, deren Oberhaupt Rudolf als Lagerkommandant von Auschwitz als größter Massenmörder des NS-Genozids gilt. Und auch wenn die Filmkritiken von einem „Vorschlaghammer“ sprechen und die schauspielerischen Leistungen von Sandra Hüller und Christian Friedel den Film zurecht mit Auszeichnungen überschütteten (wobei Filme über den Holocaust in Hollywood eigentlich immer gehen), muss man denn wirklich verstehen sollen und wollen, wie der Teufel tickt? Es wird dabei von „der Banalität des Bösen“ gesprochen. Das Böse ist aber in meinen Augen nicht banal, nur weil es einen verblendeten Alltag leben kann. Und ja, Nazis können von mir aus liebevolle Familienväter gewesen sein, genauso wie Neo-Nationale-Menschen heute auch, allerdings sind sie trotzdem ebenso grausam, verachtend und bis aufs Äußerste gewaltausübend gegen Alles, was anders ist. Und nein, das möchte ich nie verstehen wollen! „Arbeit mach frei“ steht auf den Toren des KZs. Welch boshafter Sarkasmus aus dem Land der Dichter und Denker!
Man hofft ja selber immer, man wäre besser gewesen zu dieser Zeit. Einer von den Coolen, den Schindlers, jemand der verdeckt im Untergrund dagegen gearbeitet und Schutzsuchende auf dem Dachboden versteckt hätte. Aber das glaube ich nicht! Der eigene Überlebensdrang wäre zu stark gewesen, sich und seine Angehörigen zu schützen, man weiß ja schließlich nicht was kommt. Und dieser Selbstbeschiss sowie die Verblendung kommen damit einher. Keine Ahnung, was hinter den Mauern passiert? Ja, die Asche, die war einfach da und die Menschen plötzlich weg. Wer bin ich denn schon im großen Ganzen?
Im Sommer waren wir auf einem luxuriösen Campingplatz an der Adria, nahe Venedig. Mit uns viele weitere gut situierte und gut genährte Europäer. Schöner Urlaub in Bella Italia. La dolce vita. Nur eines war merkwürdig, die Türen der Waschhäuser quietschten nachts, es hörte sich immer fast wie um Hilfe rufende Schreie an. Konnte aber doch gar nicht sein, wir waren ja am ganz anderen Ende des Mittelmeers und die einzigen Farbigen vor Ort waren die Toilettenreiniger und Strandverkäufer. Hoppala, auch ich kann mir ja meine Realität als vermeintlich privilegierter im Sinne meines Wohlstands zurechtlügen.