Kritik

Six String Samurai in drei Versuchen

Ein lustiger sinnloser Film

Vor fast 20 Jahren hatte eine Videothek in der Nähe meiner Wohnung das Angebot, dass man DVDs am Abend für 50 Cent ausleihen konnte, wenn man sie bis 23 Uhr (oder 24 Uhr? weiß ich nicht mehr) wieder zurückbrachte. Da griff ich schnell auch zu Filmen, die ich sonst vielleicht nicht ausgeliehen hätte. Einer davon war Six String Samurai.

Rock’n’Roll und Kung Fu. E-Gitarre und Katana. Fertig ist die Laube.

Die Handlung spielt im Jahr 1997, 40 Jahre nach dem Ausbruch des 3. Weltkriegs in den postapokalyptischen USA. Die Zivilisation existiert nur noch in einer einzigen Stadt: Lost Vegas. „The King“, der die letzten 40 Jahre dort regierte, ist gestorben und nun machen sich die potentiellen Thronanwärter auf den Weg, um neuer König zu werden.

Die Logik ist bei dem nuklearen Armageddon ebenfalls ausgelöscht worden: E-Gitarren spielen ohne Strom. Steinzeitmenschen können nicht reden, aber Autos fahren und reparieren und schießen mit Kaugummikugeln, statt gebräuchlicheren Geschossen. In der Metropole Lost Vegas scheint es selbst keine Nachfolger für Elvis zu geben, so dass diese erst aus dem verheerten Umland anreisen müssen. Und das machen die auch nicht die ganzen 40 Jahre vorher, sondern erst, wenn ein neuer König gebraucht wird.

Einschub: Dies könnte aber auch darauf hindeuten, dass Lost Vegas unter „The King“ eine Diktatur war, in dem keine andere Musik und auch kein anderer Musiker geduldet wurde. Zu diskutieren ist dann aber natürlich der Umstand, warum auch der neue König ein Musiker sein muss. Ist Lost Vegas ein… äh… Musikosiat? Herrschaft der Musiker? Allerdings nur eines einzigen?

Die Lebensmittelproduktion scheint soweit zusammengebrochen zu sein, dass Kannibalismus praktiziert wird, aber an der Tanke gibt es immer noch genug Benzin.

Wer stirbt, taucht in der Kanalisation beim Spinatmonster wieder auf. Sowjetische Soldaten kampieren seit 40 Jahren vor Lost Vegas, sind aber größtenteils selbst nicht älter als 40 Jahre. Und so weiter und so fort. Kurz: Es ist ein Spaß.

Den Film schaut man weg, ist unterhalten und wird nicht durch irgendeine „Message“ belästigt.

Spiel mir das Lied vom Tod

Und ich habe ihn mir dann auch noch gekauft und noch mal angesehen.

Ein Junge verliert seine Familie durch ein Gewaltverbrechen. Er schließt sich einen schwertkämpfenden Mann an, der sein Mentor wird. Dieser Mentor kämpft gegen eine schwarzgekleidete Gestalt, deren Gesicht man nicht sieht und wird von ihr getötet. Allerdings löst sich der Körper auf und nur die Kleidung bleibt zurück.

Aber reden wir nicht über Star Wars.

Six String Samurai enthält viele Anspielungen und Metaphern: Die Reise als Odyssee, der Abstieg in die Kanalisation als Abstieg ins Totenreich. Der personifizierte Tod und das Kind als Widerpart von Ende und Neunfang. Heavy Metal als Tod des Rock’n’Roll. Buddy Holly, Kung Fu Filme, 50er Jahre Sitcoms, …

Und die Heldenreise nach Campbell, nach der auch George Lukas seinen ersten Star Wars Film gegliedert haben soll. Bleiben wir einmal bei diesen Gedanken und verschieben wir die Sicht weg von Buddy als Hauptperson hin zu dem Jungen als Protagonisten. Betrachten wir den Film also als die Version der Geschehnisse wie sie das – durch den Tod seiner Mutter traumatisierte – Kind erlebt und interpretiert.

Dadurch ergeben ohne Strom spielende E-Gitarren und Kaugummikugelgeschosse plötzlich Sinn. Es gibt ein Spinatmonster. Man kann aus dem Totenreich errettet werden und der Tod selbst ist in dieser Welt eine Person, vor der man weglaufen kann und die man durch Bespritzen mit Wasser vernichtet, genau wie die Hexe aus dem Zauberer von Oz.

Schauen wir uns unter diesen Aspekt einmal die Szene an, in der sich Buddy mit der jungen Frau zurückzieht und Buddy nur völlig unbeteiligt daliegt und keinerlei sexuelle Aktion stattfindet. Interpretiert man die Szene als Vorstellung, die sich das – so die Annahme – unerfahrene Kind davon macht, was wohl geschieht, wenn die beiden alleine sind, wirkt die Handlung nicht mehr ganz so skurril.

David

Und ich schaue mir den Film noch einmal an.

Dann höre ich, dass der Name des Jungen David ist. David, der König der Juden, der im Christentum als Patron der Musiker gilt. Und dann fällt mir auch auf, dass Tod von drei weiteren Gestalten begleitet wird und sie zusammen die vier Apokalyptischen Reiter sein könnten (halt ohne Pferde).

Und dann sehe ich Buddy, der sich für den Jungen opfert – stirbt – dann aber mit Pfeilen gespickt wieder aufersteht. Und wie in der Auferstehungsgeschichte der Bibel ist die Leiche nicht da, sondern nur noch das Leinengewand.

Dass man so viel hineininterpretieren kann, dass man immer wieder etwas neues entdeckt, und dass der Film trotzdem so leicht und unintellektuell ‚rüberkommt, gefällt mir so an ihm.

Es wurde auch einmal eine Trilogie diskutiert. Dass diese aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt wurde, kann ich verstehen. Oft machen die Nachfolger den ersten Teil ja auch kaputt. Aber trotzdem würde mich interessieren, was sich die Autoren gedacht hätten, wie es weiter geht. In Lost Vegas? Mit David? Mit Buddy? Mit der Menschheit?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..