Kritik

Parasite – Klappe, die Erste!

Nein, ein Fest war es nicht. Durchaus gut, aber kein Fest. Für mich jedenfalls. Vom Trailer her war Alles drin, hätte es in jede Richtung gehen können. Aufgrund von mangelnder Zeit habe ich „Parasite“ nicht komplett durchgucken können, sondern eher so etappenweise. Aber manchmal fehlte mir dann doch etwas die Motivation es schnellstmöglich weiterzuschauen. Gerade in der Mitte des Films, als die Hauptcharaktere mit fortlaufender Handlung irgendwie immer unsympathischer worden. Den Rest gab mir schlussendlich der finale Gewaltexzess, den ich als absolut ekelig und verstörend empfand. Das ist der Grund warum ich die Gesellschaftssatire auch nicht als cineastisches Highlight werten kann. Ich kann nachvollziehen, warum in den Beschreibungen über den Film von einem südkoreanischen „Pulp Fiction“ die Rede ist. Möglichst so krass wie möglich ausufernd. Und da macht dann auch die FSK 16 Kinderschutzempfehlung durchaus Sinn.

Das Coole ist, man braucht für den ganzen Film nicht viele Dreh-Sets. Die Kellerwohnung der Familie, das hochmoderne Smarthaus, inklusive unterirdischem Bunker, ein bisschen Auto, ein bisschen hier, ein bisschen da. Die Schauspieler sind allesamt gut, ich nehme ihnen ihre Rollen vollends ab, auch wenn in der Satire das Elitäre oft etwas zu überspitzt rüberkommt. Wie etwa bei dem nicht riechen können der Armut, weil sie irgendwie nach Rettig stinkt. Der waagerechte Zeigefinger, der die beiden Nasenlöcher zuhält, erinnert mich eher an Märchenfilme, bei dem der Hochadel dargestellt wird.

Das Kritische an beiden Schichten wird witzig umgesetzt, wie beispielsweise die Suche nach dem W-Lan-Netz und das Bedanken um das Auffinden dieses, oder aber die ganze Verlogenheit und das Gehabe des High Establishments. Am Anfang fiebert man voll mit der Gaunerfamilie mit, möglichst alle alten Bediensteten der Arbeitgeber loszuwerden. Die sind dabei so kreativ, dass man sich fragt, warum sie es bislang nicht aus der Gosse herausgeschafft hatten. Alle in Lohn Brot, perfekt, es geht bergauf für sie. In der Nacht, als die Haushälterin das Geheimnis des Kellerbunkers lüftet, wandelte sich allerdings auch das Wohlwollen für dieses Vorgehen. Zum Erhalt des Status Quo schrecken alle Beteiligten nicht mehr davor zurück, ihre niederen Beweggründe auch mit Gewalt durchzusetzen. Ich kann mir im Übrigen schon vorstellen, dass es gerade wegen dieser Nähe der scharfen Grenze des Kalten Krieges in Südkorea viele solcher unterirdischen Bunker gibt. In Deutschland womöglich auch, Finnland hat eine ganze Stadt unterirdisch gebaut. Ich frage mich nur immer, im Falle von freigesetzter Radioaktivität aufgrund von Atombomben, schützt da ein Bunker knapp unterhalb der Oberfläche wirklich so sehr? Und wenn ja, wie lange denn, wenn man Halbwertszeiten der Strahlung betrachtet? Zurück zum Film, die beiden Überwältigten im Keller zurückzulassen und weiterzumachen, sowie ohne Skrupel nach Lösungen für das Problem zu suchen, erweist sich für die Familie als keine gute Entscheidung und endet fatal. „Kein Plan geht jemals so auf, wie man ihn vorher plant.“ Am Ende eskalieren wie gewohnt die Männer. Der Sohn, der es beenden möchte, der gestörte Ehemann der Haushälterin, der traumatisierte Vater.

So nimmt sich schlussendlich der am Kopf operierte, vorbestrafte, aus den Niederungen der Gesellschaft kommende junge Sohn vor, so viel Geld zu verdienen, um einmal das Haus zu kaufen, in dessen Kellerbunker sein Vater von nun vegetiert, um diesen wieder nach oben holen zu können. Wir alle kennen die Wahrscheinlichkeit, dass dies so funktioniert. Bleibt die Frage, ist denn ein sozialer Aufstieg überhaupt möglich? In Südkorea, in Deutschland, anderswo auf der Welt. Man sagt, mit Bildung könne man etwas schaffen. Aber stimmt das? Hat nicht das Kind enorme Vorteile, welches in einer sozial besser situierten Gegend aufwächst und dort zur Schule geht? Welches sich keine Gedanken machen muss, wie es finanziell ein Studium durchsteht oder das Darlehen irgendwann zurückzahlen muss. Wo vorher bereits feststeht, mein Vater ist Geschäftsführer, ich werde es vermutlich auch, egal wie gut ich bin. Oder etwas Entsprechendes, allein über Vitamin Beziehung. Viele Ärzte entstammen aus Ärztefamilien, übernehmen dann irgendwann laufende Praxen. Sicherlich kann man mit sehr viel Ehrgeiz entgegen seinem sozialen Umfeld agieren und versuchen auszubrechen. Aber unter welchem Kraftaufwand und wo ist die Linie, über die man irgendwann nicht mehr hinauskommt, weil man eben nicht wirklich dazugehört? Ein bisschen Glück gehört natürlich auch dazu. Mit viel Geld kann man sich jedoch Ruhe erkaufen, abgeriegelt hinter Kameras und Überwachungssystemen, vor den Problemen dieser Welt. Der Fahrer fährt einen sicher zur Arbeit, die Haushälterin kümmert sich um alles Weitere, Nachhilfelehrer um den Fortbestand des Wohlstands für die nächsten Generationen. Ich hörte mal beiläufig von einem schicken Marmorwaschbecken im Gäste-WC. Muss denn so etwas wirklich sein, in einer Welt, in der Kinder nicht genug zu essen bekommen?!

Die vorgetäuschten Namen der Geschwister, welche die Nachhilfe für die reichen Kids geben, sind nicht koreanisch gewählt, sondern amerikanisch. Alles in allem wirkt die südkoreanische Gesellschaft in dem Film sehr amerikanisiert. Sicherlich ein Vorteil für die zahlreichen Oskars, die der Film erhielt, nicht allzu fremd zu wirken. So jetzt habe ich einen Ohrwurm vom Lied „Tu vuò fà l’americano“ aus den 50ern im Ohr, in dem es um die Amerikanisierung Italiens geht…

Zu guter Letzt, auf dem Filmcover wird als Untertitel zu „Parasite“ gefordert: „Finde den Eindringling!“. Ich habe ihn denke ich erkannt. Es ist keine der aufgeführten Personen mit schwarzem Querbalken über den Augen. Der Eindringling ist der Hochmut!

Ein Gedanke zu „Parasite – Klappe, die Erste!

  • Ich glaube, dieser Film funktioniert nicht, wenn man ihn in Etappen schaut oder abgelenkt ist. Man muss sich da reinziehen lassen und die stetige Steigerung mitgehen. Ein Neueinstieg auf niedrigerem Erregungslevel ist nicht möglich.

    Die Splatterszene ist für das Genre eher zahm. Bei Tarantino hätte vermutlich keiner überlebt 🙂

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